Viele Menschen sind aufgrund der Maßnahmen der Regierung zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus von Einkommensausfällen betroffen. Sei es aufgrund von Betriebssperren, Kündigungen, Kurzarbeit oder Nachfrageeinbrüchen. Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M. Partner bei der auf Anlegerrecht spezialisierten Kanzlei Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte Partnerschaft gibt einen kurzen Überblick über die neue gesetzliche Kreditstundung und beantwortet die brennendsten Fragen zu diesem Thema.
Grundsätzlich steht es jedem Kreditnehmer frei sich bei Zahlungsschwierigkeiten an seinen Kreditgeber zu wenden, um beispielsweise eine Stundung oder eine Ratenreduktion bei Verlängerung der Kreditlaufzeit zu vereinbaren.
Für Verbraucher und Kleinstunternehmer sieht das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz nun Sonderregelungen vor:
Im Wesentlichen wird für all jene Kreditnehmer, welchen aufgrund der von der COVID-Pandemie hervorgerufenen Einkommensausfällen eine Zahlung an den Kreditgeber nicht zumutbar ist, eine Stundung des Kredites um 3 Monate angeordnet. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass sich (sollte keine anderweitige Vereinbarung mit dem Kreditgeber getroffen werden) die Rückzahlung des Kreditvertrag um 3 Monate verlängert.
Stundung bedeutet dabei, dass die Fälligkeit der Zahlung hinausgeschoben wird.
Zu den Details:
Wer kann diese Kreditstundung in Anspruch nehmen?
Die gesetzliche Kreditstundung gilt für Verbraucher und Kleinstunternehmen. Verbraucher ist jeder, der seinen Kredit als Privatperson für private Zwecke, also nicht betriebliche Zwecke geschlossen hat (zB wenn Sie als Privatperson einen Kredit aufgenommen haben um elektronische Geräte oder Möbel zu kaufen oder um eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen etc).
Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und dessen Jahresumsatz bzw Jahresbilanz EUR 2 Mio nicht überschreitet.
Der Kreditvertrag muss dabei vor dem 15.03.2020 abgeschlossen worden sein.
Kann ich die Kreditstundung in Anspruch nehmen, obwohl ich gar keine Einkommensverluste habe?
Nein. Die Zahlung der dem Kreditgeber geschuldeten Leistung muss für den Kreditnehmer aufgrund der durch die COVID-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse dazu führen, dass sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet wäre.
Für welchen Zeitraum gilt die Stundung?
Die Stundung bezieht sich auf Rückzahlungs-, Zins- und Tilgungsleistungen die zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 fällig werden. Die Stundung beträgt 3 Monate. Für den Zeitraum nach dem 30.06.2020 sieht das Gesetz vor, dass die Kreditnehmer mit den Kreditgebern eine einvernehmliche Regelung treffen sollen. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, wird der Kreditvertrag um 3 Monate verlängert und jede in der Zwischenzeit fällige Zahlung um 3 Monate hinausgeschoben.
Gilt die Stundung automatisch?
Wenn der Kreditnehmer seine Zahlungen zwischen 01.04.2020 und 30.06.2020 leistet, dann gilt die Stundung als nicht erfolgt. Es ist daher jedenfalls zu empfehlen, sich (telefonisch oder per E-Mail) mit seinem Kreditgeber in Verbindung zu setzten. Auch müssen die Voraussetzungen der Stundung (Einkommensausfall etc) nachgewiesen werden.
Darf mein Kreditgeber für die Stundung erhöhte Zinsen verlangen?
Nein. Für den Zeitraum der Stundung gelten die vereinbarten Kreditzinsen. Erhöhte Verzugszinsen dürfen vom Kreditgeber nicht erhoben werden.
Gilt die Stundung auch für Leasing-, Tilgungsträgerraten und Kreditversicherungszahlungen?
Nein. Die Stundung bezieht sich ausschließlich auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen. Zahlungen an den Tilgungsträger (zB fondsgebundene Lebensversicherung) oder Kreditversicherung sind von einer solchen Stundung nicht erfasst.
Wie wirkt sich dieses neue Gesetz auf meinen endfälligen (Fremdwährungs-)Kredit aus?
Sollte der Kredit zwischen 01.04.2020 und 30.06.2020 auslaufen, so wird das Ende des Kreditvertrages um 3 Monate hinausgeschoben. Für alle endfälligen Kreditverträge wird die Zinszahlung (welche typischerweise regelmäßig geleistet wird) unten den gleichen Bedingungen wie oben dargestellt, gestundet.
Freilich bedeutet die nunmehrige gesetzliche Regelung, wenn überhaupt nur eine kurze Verschnaufpause für alle Kreditnehmer, die von der Corona Krise besonders betroffen sind.
Abseits von COVID: „Licht am Ende des Tunnels“ für geschädigte (Fremdwährungs-) Kreditnehmer?
Viele Fremdwährungskreditnehmer sehen nach wie vor einem Ende ihres endfälligen Fremdwährungskreditvertrages mit Schrecken entgegen, da sich der Euro-Frankenkurs seit Aufnahme des Kredits deutlich verschlechtert hat. Auch jetzt im Zuge der Corona Krise hat der Euro gegenüber den Franken nochmals an Wert verloren. Schweizer Franken Kreditnehmer sehen sich daher noch höheren Rückzahlungsansprüchen ihrer Bank ausgesetzt. „Für diese Kreditnehmer besteht nach wie vor die Möglichkeit ihren Kreditvertrag dahingehend überprüfen zu lassen, ob intransparente Vertragsklauseln verwendet wurden“, so Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M. „In vielen Verträgen wurden derartige Klauseln verwendet und besteht dabei potenziell die Möglichkeit Fremdwährungskreditnehmer von ihrem Fremdwährungsrisiko zu befreien, sodass diese nur das zurückzahlen müssen, was sie tatsächlich in Euro aufgenommen haben.“ Es empfiehlt sich jedenfalls einen Rechtsanwalt mit der Überprüfung des Kreditvertrages zu beauftragen.
Disclaimer: Diese Ausführungen beziehen sich auf die Gesetzeslage zum Stand 23.04.2019, möglicherweise danach eingetretene Änderungen der Gesetzeslage konnten nicht berücksichtigt werden.