Wie der OGH die Funktion der Kleinbetragssparbücher erschüttert!

Dieser Kurzbeitrag beschäftigt sich mit den praktischen Auswirkungen einer erst vor Kurzem ergangenen Entscheidung des OGH über die vermögensrechtlichen Folgen von Kleinbetragssparbüchern im Verlassenschaftsverfahren. Insbesondere für Inhaber derartiger Sparbücher sind einige Änderungen im täglichen Leben zu erwarten!

Grundsätzlich ist zwischen Namenssparbüchern (das ist ein legitimiertes Sparbuch oder Sparkonto, das auf eine Nummer, eine Bezeichnung oder auch auf den Namen des Sparbuchinhabers lauten kann) und Kleinbetragssparbuch – so auch in Folge genannt – (auch Überbringersparbuch, Inhabersparbuch oder Losungswortsparbuch; diese sind nur für Beträge unter EUR 15.000,00 möglich und müssen auf einen Begriff oder eine Nummer, jedoch nicht auf einen Namen lauten. Sie werden durch ein Losungswort geschützt.) zu unterscheiden. Ab einem Einlagenstand von mehr als EUR 15.000,00 ist die Eröffnung eines Namenssparbuches verpflichtend (sogenanntes Großbetragssparbuch, auf dem natürlich auch weniger als € 15.000.- liegen kann). Jeder, der ein Kleinbetragssparbuch vorlegt, das Losungswort nennt und sich durch einen amtlichen Lichtbildausweis identifiziert, kann am Bankschalter Geld abheben (sogenanntes Inhaberpapier). 

Anonyme Sparbücher wurden am 01.11.2000 weitgehend durch Aufhebung der Anonymität der Inhaber verdrängt. Seit 01.07.2002 sind Behebungen von anonymen Sparbüchern nur mehr nach Identitätsfeststellung des Inhabers möglich. Solche Sparbücher müssen daher in ein Namenssparbuch oder ein oder mehrere Kleinbetragssparbücher (unter € 15.000) umgewandelt werden. 

Im Falle eines Verlassenschaftsverfahrens stellt sich nunmehr die Frage, was mit den Kleinbetragssparbüchern, die oftmals bereits verschenkt wurden oder kurz vor dem Tod mit der Bitte um Bezahlung der Begräbniskosten übergeben wurden (und zu diesem Zweck dann vor oder nach dem Tod Behebungen erfolgten) oder überhaupt durch Schenkung und Übergabe in das Eigentum einer anderen Person gelangen sollten – jedenfalls nicht in das Verlassenschaftsverfahren einbezogen werden sollten – verfahrenstechnisch passiert. 

In der Entscheidung des OGH vom 25.03.2021 (2 Ob 101/20x) weigerte sich die Bank gegenüber dem Gerichtskommissär, die Auskunft über die Kontonummer und den Kontostand eines Kleinbetragssparbuches, welches aber in der Verlassenschaft nicht auffindbar war und daher auch nicht vorgewiesen werden konnte, zu erteilen; dies mit der Begründung, dass es sich bei einem Kleinbetragssparbuch mit einem Einlagestand unter EUR 15.000,00 um ein Inhaberpapier handle und die Auskunftserteilung an die Vorlage der Sparurkunde gebunden sei. 

Der OGH erteilte der Ansicht der Bank jedoch eine Absage und bestätigte die Rechtsansicht der Untergerichte dahingehend, dass 

– die Identifizierung des Erblassers beim Bankinstitut ein starkes Indiz für seine Berechtigung in Bezug auf eine Spareinlage sei,

– aufgrund der Erstlegitimierung auf den Namen des Erblassers das Kleionbetragssparbuch, wenn gegenteiliges nicht bewiesen ist, noch der Verlassenschaft zuzurechnen sei,

– auch ein dem Erblasser abhanden gekommenes oder im Nachlass nicht auffindbares Kleinbetragssparbuch in die Verlassenschaftsabhandlung einzubeziehen sei, wenn nicht ersichtlich sei, dass ein Dritter vor dem Tod dieses gutgläubig erworben habe.

Ergänzend führte der OGH dazu auch aus, dass das Auskunftsrecht des Gerichtskommissärs und des Verlassenschaftsgerichts auf § 38 Abs 2 Z 3 BWG beruht, wonach in diesen Fällen eben das Bankgeheimnis nicht gegeben sei, denn § 38 Abs 2 Z 3 BWG differenziere nicht zwischen Geheimnissen des verstorbenen Kunden und solchen Geheimnissen anderer Personen (denen unter Umständen das Sparbuch vor dem Tod des Kunden bereits übergeben wurde). 

Eine Auskunftspflicht der Bank besteht nach Ansicht des OGH daher nur dann nicht, wenn ein Bankkonto oder eine Spareinlage unzweifelhaft nicht dem Nachlass zuzuordnen ist. Die Banken beauskunften daher jetzt auch Kleinbetragssparbücher bei der gewöhnlichen Bankenabfrage durch den Gerichtskommissär. 

Die Frage, ob das Kreditinstitut an den sich identifizierenden Vorleger der Urkunde, der das korrekte Losungswort nennt, nach Ableben des bei der Eröffnung Identifizierten leisten darf, ist unbeantwortet. Die Banken (nicht alle) sperren daher das Kleinbetragssparbuch und verweisen den Sparbuchinhaber an den Verlassenschaftskommissär.

Die Konsequenz daraus ist, dass die Bank auch dann Auskunft an die Verlasssenschaftsberechtigten erteilen muss, wenn nach dem Tod doch noch Abhebungen stattgefunden haben, insbesondere von welchen Personen.

Für viele Leute ist damit die Funktion des Kleinbetragssparbuch weggefallen:

Der finanzschwächere Erblasser, der für die Bezahlung seines Begräbnisses den Notgroschen auf ein Kleinbetragssparbuchguthaben legt, damit ein Dritter das Begräbnis damit bezahlen kann, wird dazu in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, weil der Dritte nicht mehr abheben kann. Auch der finanzstarke Erblasser, der vielleicht mehrere Kleinbetragssparbücher hält, um diese nach seinem Tod „anonym“ an verschiedene Begünstigte, jedoch nicht an die Erben, übertragen möchte, wird dies nicht mehr können. Im Verlassenschaftsverfahren wird nunmehr alles bekannt!!!

Es sollten daher alle, die ein Kleibetragssparbuch samt Losungswort übergeben erhalten haben, dieses ehest auf sich umlegitimieren, da sie sonst auf eher schwierigem Weg nach dem Ableben des Übergebers beweisen müssen, dass es ihnen schon vor dem Tod übertragen wurde.

Es besteht daher dringender Handlungsbedarf! Dafür und für detaillierte Auskünfte und Unterstützung im Verlassenschaftsverfahren, steht Mag. Ulrich Walter sehr gerne zur Verfügung: 

Zu den Autoren:

Mag. Dominique Perl ist seit Jänner 2020 Rechtsanwaltsanwärterin bei Neumayer, Walter & Haslinger.

Mag. Ulrich Walter ist Kanzleipartner bei Neumayer, Walter & Haslinger. Beide sind ständig im Banken- und Verlassenschaftsrecht tätig

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