Es klingt etwas unlogisch, ist aber so: Wenn ein Kunde in einer Bank ein Schließfach für Wertgegengestände mietet, dann haftet für dessen Inhalt derselbe Kunde – nicht die Bank.
So steht es in den Geschäftsbedingungen der Banken, die Schließfächer anbieten. Die Vertragsklausel sorgt jetzt für gehörigen Ärger. Mitte November hat eine professionell agierende Diebesbande in drei Bankfilialen in Mödling, Klosterneuburg und Wien das Zutrittssystem von Schließfächern manipuliert. Betroffen sind eine Bank-Austria- und zwei Raiffeisen-Filialen.
Insgesamt 68 Fächer wurden ausgeräumt. Niederösterreichs Polizei ermittelt. Beachtliche Schadenssumme laut „Kurier“: 25 Millionen Euro.
Jetzt könnten–von ein paar Tausend Euro Haftungssumme abgesehen–die Kunden auf dem größten Teil des Schadens sitzenbleiben.
Doch sie wehren sich. „Sittenwidrig“ sei die Bestimmung in den AGBs der Banken, wonach Kunden haften, sagt Oliver Jaindl, Obmann des Vereins Cobin Claims in Wien, der etwa auch im VW-Dieselskandal die Interessen von Geschädigten vertritt.
„Erst wird den Schließfachinhabern Sicherheit à la FortKnox suggeriert, dann sollen sie bei Schäden selbst geradestehen.“
Im Speziellen stört sich Cobin Claims daran, dass „die technischen Schutzstandards der Banken veraltet und unzureichend sind“. Laut dem Wiener Rechtsanwalt Wolfgang Haslinger widerspricht diese Praxis dem Datenschutzrecht, weswegen Haslinger nun eine Anzeige bei der Datenschutzbehörde erstattet hat. Veraltet sollen vor allem die Magnetstreifenkarten sein, die bei den heiklen Bankschließfächern zum Einsatz kommen. Sie seien „in den 1980er-Jahren gebräuchlich gewesen und heute längst nichtmehr Stand der Zeit“. Die Banken weisen die Vorwürfe zurück, ohne ins Detail zu gehen.
„Unsere Safe-Anlagen entsprechen mit einem mehrstufigen Sicherheitssystem den höchsten Sicherheitsstandards“, so ein Sprecher der UniCredit Bank Austria. Bei der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien heißt es, man könne „keine Angaben zum Sicherheitssystem“ machen. Aber: „Der Vorwurf eines veralteten Systems ist nicht richtig.Der Hersteller des Systems ist Weltmarktführer, es sind zahlreiche Anlagen weltweit im Einsatz. Das System konnte offenbar nur deshalb überwunden werden, weil die internationale Verbrecherbande neuartige technische Geräte eingesetzt und dadurch alle Sicherheitsmerkmale in Erfahrung gebracht hat.
GEPP profil 51 • 13. Dezember 2020
Die Tätergruppe war außerdem seit August mehr als 40-mal in den Saferäumen und die Banken merkten nichts davon.
Weitere Informationen:
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